Klimaneutralität in Europa – Perspektive für die Ukraine?
Klimaneutralität in Europa – Perspektive für die Ukraine?

Klimaneutralität in Europa – Perspektive für die Ukraine?

Die angestrebte Klimaneutralität in Europa (EU) macht es erforderlich, die gesamte Stromerzeugung auf Erneuerbare Energien umzustellen. Trotz verbesserter Energieeffizienz wird der Stromverbrauch in Europa steigen, weil bisher mit fossilen Energieträgern gedeckte Bedarfe (z.B. im Verkehr oder der Gebäudebeheizung) in erheblichem Umfang auf elektrische Anwendungen umgestellt werden. Die erforderlichen Flächen für die Windenergie- und Solarnutzung für alle stromspezifischen Anwendungen können in Europa bereitgestellt werden, ein Netto-Stromimport aus außereuropäischen Ländern wird nicht erforderlich sein und wäre auch nicht kostenoptimal.

Wasserstoff wird künftig als chemischer Energieträger und als Rohstoff für industrielle Prozesse benötigt und kann ebenfalls klimaneutral aus Strom aus erneuerbaren Quellen hergestellt werden. Die Wasserstoffelektrolyse ist zwar viel effizienter als viele andere, „konventionelle“ Energiewandlungstechnologien, aber immer noch verlustbehaftet. Daher kommt Wasserstoff in der Energiewirtschaft aus wirtschaftlichen Gründen nur in den Fällen in Betracht, in denen die direktelektrischen Anwendungen an technologische oder funktionelle Grenzen geraten. Der Wirkungsgrad für die Herstellung von Wasserstoffderivaten, wie synthetischen Kraftstoffen, ist nochmals deutlich geringer, so dass diese Derivate nur dort ihre Berechtigung haben, wo es auf die für flüssige Energieträger typische, sehr hohe Energiedichte ankommt (z.B. Flugzeuge, Schiffe, evtl. Langzeit-Energiespeicher).

Zu fragen ist, woher der für Wasserstoff und seine Derivate erforderliche, zusätzliche Strom stammt. Voraussichtlich wird er kostenoptimal nicht vollständig innerhalb der EU erzeugt werden können, sodass Wasserstoff zumindest anteilig und synthetische Energieträger (im wesentlichen vollständig) in die EU importiert werden müssen.

In diesem Diskussionsbeitrag soll herausgearbeitet werden, in welchem Umfang Wasserstoff in die EU importiert werden und welche Rolle die Ukraine für die Wasserstoffversorgung Europas spielen könnte, wenn der derzeitige Krieg gegen die Ukraine beendet und eine neue Sicherheitsarchitektur geschaffen ist und die Ukraine sich stärker nach Europa orientiert oder sogar Mitglied der EU wird. Das nutzt nicht nur der zukünftigen klimaneutralen Energieversorgung Europas, sondern könnte auch einen attraktiven Baustein für die wirtschaftliche Zukunftsentwicklung der Ukraine darstellen. Denn immerhin ging die Erdgasversorgung Mitteleuropas ursprünglich vollständig über die Ukraine, und das vorhandene (und für einen Wasserstoffbetrieb zu ertüchtigende) Pipelinenetz könnte ein bedeutsames Asset für eine solche Perspektive sein.

Nach einer Einführung werden im ersten Kapitel die Eckpunkte für eine Klimaneutralität in Deutschland bis 2045 dargestellt: wie viel Strom, welche und wie viele klimaneutralen Brennstoffe werden wir 2045 verbrauchen? Im zweiten Kapitel wird dargelegt, welche Kosten für den Transport von Erdgas und Öl heute entstehen und wie dies für Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe in Zukunft aussieht. Danach wird erörtert, in welchem Umfang der künftige Wasserstoffbedarf innerhalb der EU erzeugt werden kann und was voraussichtlich von außerhalb, z.B. aus der Ukraine, importiert werden muss. Das wird dann abgeglichen mit den heutigen Pipelinekapazitäten in der Ukraine, um daraus abzuleiten, was eine Obergrenze für einen Wasserstoffimport aus der Ukraine mit dem bestehenden Pipelinenetz sein kann. Im fünften Kapitel wird untersucht, welche Erzeugungspotenziale für Strom aus Erneuerbaren Energien in der Ukraine bestehen und ob es überhaupt genügend Flächen gibt, um nicht nur die künftige Energieversorgung der Ukraine klimaneutral zu gestalten, sondern darüber hinaus auch nennenswerte Mengen an Wasserstoff für den Export nach Mittel- und Südosteuropa zu erzeugen. Im Abschlusskapitel wird ein Resumee gezogen: unter welchen Randbedingungen könnte sich die Ukraine als Wasserstoff-Exportland positionieren? Was sind Eckpunkte einer resilienten, klimaneutralen Energieerzeugung in Europa? Insofern soll dieser Beitrag keine fertige „Gebrauchsanweisung“ für die künftige nationale und europäische Energiepolitik liefern, sondern Denkanstöße geben.

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